Ist Platons Höhlegleichnis als eine Analogie zur vedischen Maya zu verstehen?
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meinem Buch „Die Matrix-Hypothese“, der darauf eingeht, dass Platons Idealismus und seine Höhlenanalogie im Grunde die vedische Maya beschreiben. Heutzutage benutzen wir oft den Begriff „Matrix“, wenn wir von einem virtuellen Konstrukt sprechen.
Selbst wenn die bekannte Menschheitsgeschichte mit den Veden einen philosophischen Ausgangspunkt hatte, der ein ganzheitliches und damit eher multi-dimensionales Weltbild propagierte, so etablierte sich dennoch der Materialismus. Man könnte behaupten, dass die moderne Wissenschaftsrevolution, die mit Einstein ihren Ursprung nahm, uns der spirituellen Romantik beraubt hat, doch dieser Bruch liegt wesentlich weiter zurück. Wenn man die fundamentale Trennung der Philosophien auf einen Punkt der verschiedenen Zeiten und Kulturen herunterbrechen möchte, dann nahm alles mit Demokrit und Platon im alten Griechenland seinen Anfang. Zumindest wurde die westliche Wissenschaft aus dieser Ecke substanziell beeinflusst.
Demokrit gegen Platon
Über Demokrit1 will ich hier nicht viele Worte verlieren, weil er später noch in den Fokus kommt. Es bleibt nur darauf hinzuweisen, dass er der Posterboy des modernen Materialismus ist. Ein wesentlicher Punkt seiner Philosophie sei vorweggenommen: Der Geist bzw. das Bewusstsein der Ich-Erkenntnis ist in Demokrits Verständnis ein mechanistischer Vorgang, der sich aus dem Zusammenspiel von Atomen und den aus ihnen geformten Neuronen ergibt. Der Mensch ist damit so eine Art Bio-Roboter, der durch elektrische Signale im Gehirn Bewusstsein erschafft. Ich denke, jeder ist sich dieser Ausdeutung nach Demokrit bewusst, denn dieses Konzept spiegelt das gegenwärtige Paradigma in vielen Disziplinen der modernen Wissenschaft und der Medizin wider.
Doch gab es mit dem Idealismus Platons parallel zu Demokrit noch einen diametralen Realitätsentwurf im alten Griechenland – dieser ist auch bekannt als platonischer Realismus. Es ist eine fundamentale Weltanschauung, die dem antiken griechischen Philosophen Platon2 zugeschrieben wird. Dieses Realitätsmodell bildet einen grundlegenden Teil seines Paradigmas und befasst sich insbesondere mit der Natur der Wirklichkeit, dem Wissen und der Beziehung zwischen der materiellen Ebene und der Welt der „Ideen oder Formen“. Platons Verständnis hat eine breite Deckungsmenge mit der vedischen Philosophie, schwerpunktmäßig wenn es um die fundamentale Natur der uns umgebenen Realität geht. Der Idealismus Platons und das Konzept der Maya sind beides philosophische Ideen, die sich mit dem geistigen oder virtuellen Wesen der Realität und der Beziehung zwischen der physischen Welt und den höheren, transzendenten Dimensionen befassen.
Platons Idealismus
Platons Idealismus geht von der Existenz eines separaten Reichs vollkommener, abstrakter Formen oder Ideen aus, die realer und unveränderlicher sind als die physische Welt. Unsere alltägliche materielle Realität wird von ihm als bloße Nachahmung oder Spiegelung dieser vollkommenen Formen betrachtet. Das vedische Konzept von Maya wird weiterführend oft als eine illusorische oder trügerische Kraft verstanden, die uns versucht von dieser „echten“ oder idealen Welt fernzuhalten. Der große Unterschied liegt in beiden philosophischen Betrachtungen in der Beziehung zwischen den beiden Welten, doch soweit will ich gar nicht gehen. Bleiben wir bei der illusorischen Qualität, die auch Platon der physischen Realität gibt.
Platons Höhlengleichnis ist eine berühmte philosophische Metapher, die in Buch VII seines Werks „Der Staat“3 zu finden ist. Sie dient zur Veranschaulichung seiner Erkenntnistheorie von der Natur der Realität und des Erleuchtungsprozesses. Bei näherer Analyse zeigt sich, dass Platon ebenfalls eine Art von virtuellem Konstrukt erkannte, was in seinem berühmten Höhlengleichnis deutlich wird. Ich werde versuchen, diese Analogie auf Basis einer computergenerierten Simulation auszudeuten, bzw., dazu Vergleiche zu ziehen. Wie im Kontext der vedischen Maya dient mir das Prinzip nur als nachvollziehbare Denkbrücke. Damit möchte ich nicht grundsätzlich implizieren, dass wir in einer Computersimulation eingebunden wären. Vielmehr ist es eine Verständnishilfe, weil dieses technische Konzept die beste Abstraktion für den Geist darstellt, sich ein solches Konstrukt vorzustellen. Das hilft dem ein oder anderen Materialisten, eine prinzipielle Idee herzuleiten, wovon die Rede ist, wenn die Esoteriker von irgendwelchen jenseitigen Welten fabulieren. Also schauen wir uns mal in der Höhle um.
Die Höhle Platons als ein VR-Konstrukt
In Platons Allegorie gibt es Gefangene, die seit ihrer Geburt in einer dunklen Höhle angekettet sind. Sie stehen oder sitzen mit dem Gesicht zur Höhlenwand und können ihren Kopf nicht drehen. Hinter ihnen brennt ein Feuer, und zwischen dieser Lichtquelle und den Insassen befindet sich ein erhöhter Gang. Auf dem Steg sind Gegenstände platziert, deren Schatten sich auf die Felswand vor den Häftlingen werfen. Dieses Bild könnte man wie folgt ausdeuten: Stellen Sie sich die Gefangenen in der Höhle als Personen vor, die in eine Virtual-Reality-Erfahrung eintauchen. Die Höhlenwand stellt den Bildschirm oder das Display dar, durch welches sie die virtuelle Welt wahrnehmen. Die Gegenstände, die Schatten auf die Wand werfen, können als digitale Objekte und Umgebungen einer virtuellen Realität betrachtet werden.
Die Gefangenen verstehen die Silhouette an der Höhlenwand als Realität, weil das alles ist, was sie bisher kennen. Sie verwechseln die Schatten mit der „echten“ Welt. In ähnlicher Weise nehmen Personen, die in die virtuelle Realität eintauchen, die digitalen Objekte und Umgebungen als real wahr, wenn sie beispielsweise VR-Headsets tragen. Ihre sensorischen Erfahrungen werden durch die virtuelle Welt erzeugt, und sie können vorübergehend ihren Unglauben aufheben und diese illusorische Wahrnehmung als Wahrheit akzeptieren. In Platons Allegorie wird einer der Häftlinge befreit und der Außenwelt ausgesetzt. Anfangs schmerzt das helle Sonnenlicht in den Augen des Gefangenen, und er ist desorientiert. Mit der Zeit gewöhnt er sich jedoch daran, und er beginnt, die Umgebung klarer wahrzunehmen. Dieser Fluchtprozess aus der Höhle und der Anpassung an die Außenwelt kann mit dem Abnehmen eines VR-Headsets verglichen werden. Anfänglich kann es zu Orientierungslosigkeit kommen, wenn der Übergang von dem virtuellen Szenario zurück in die physische Realität erfolgt. Dieser Wechsel verdeutlicht den Unterschied zwischen der simulierten virtuellen Welt und der tatsächlichen physischen Welt.
Der befreite Häftling, der die Anderen retten möchte
Im weiteren Verlauf von Platons Allegorie fühlt sich der befreite Häftling, nachdem er Kenntnis von der Außenwelt erlangt hat, gezwungen, in die Höhle zurückzukehren, um die anderen Insassen zu erlösen. Als der Ausreißer sich jedoch wieder in das Innere begibt, verstehen oder glauben ihm die verbliebenen Gefangenen die neuen Erkenntnisse und Erfahrungen nicht, die er vermitteln möchte. Wenn jemand von der realen Welt zurückkehrt und versucht, sie den Insassen zu erklären, die ausschließlich das holographische Konstrukt kennen, wird er mit Sicherheit auf Skepsis oder Unglauben stoßen. Die Allegorie veranschaulicht die Herausforderung, Kenntnisse aus einer anderen Realität denjenigen zu vermitteln, die diese Erfahrung nicht gemacht haben. Daher wird diese Analogie gerne in der „Trutherszene“ verwendet. Dabei wird das Gleichnis meist im Kontext von weltlichen Zusammenhängen appliziert. Beispielsweise wenn ein „Truther“ die tiefe innere Überzeugung gewonnen hat, dass 9/11 eine „False-Flag-Operation“4 war und er auf Skepsis seiner Mitmenschen stößt, die noch den Massenmedien vertrauen. Er empfindet sich als derjenige, der die Höhle verlassen hat, während alle anderen noch der „Tagesschau“ an der Wand folgen.
Zusammenfassend kann Platons Höhlengleichnis als Metapher für die Unterscheidung zwischen virtuellen Erfahrungen und der physischen Realität verstanden werden. In der erweiterten Form wäre die Höhle unsere Wachrealität, die nur ein virtuelles Konstrukt ist, wohingegen es eine „echte“ Realität außerhalb der Matrix gibt. Diese Analogie unterstreicht die Idee, dass Wahrnehmung durch das geprägt wird, was wir kennen. Die Analogie hilft uns, zu verstehen, dass sich eine tiefe Kluft auftun kann, zwischen dem, was man erlebt und integriert hat, und dem, was die Allgemeinheit als „real“ akzeptiert. Wie es bei allen Gleichnissen üblich ist, passt sich die Parabel an das an, was sich der Rezipient vorstellen kann bzw. welchen Glaubenssätzen er sich unterworfen hat. Dementsprechend ist die populäre Ausdeutung von Platons Höhle nicht von ganz so radikaler Natur, wie ich sie hier weiterentwickeln möchte. Demnach kann dieses Gleichnis als eine Ableitung des Maya-Konzeptes verstanden werden, so wie die Veden es definieren. In meiner Wahrnehmung besteht kein Zweifel daran, dass in der vedischen und in Platons Philosophie die gleiche Grundannahme steckt: Die Welt ist demnach ein illusorischer Schleier, der uns als Realität „verkauft“ wird.
- Demokrit (ca. 460 – 370 v. Chr.): Der antike griechische Philosoph und vorsokratische Denker Demokrit ist vor allem für seine Atomtheorie bekannt, die besagt, dass alle Materie aus unteilbaren und unzerstörbaren Teilchen, den Atomen, besteht. Seine philosophischen Beiträge legten den Grundstein für spätere Entwicklungen im Atomismus und beeinflussten die Werke späterer Denker. Quelle: Fragmente und Berichte aus den philosophischen Schriften der Griechen. ↩︎
- Platon (ca. 428/427-348/347 v. Chr.): Der antike griechische Philosoph und Schüler von Sokrates gründete die Akademie in Athen und ist bekannt für seine Dialoge, in denen er verschiedene philosophische Themen wie Ethik, Metaphysik und politische Theorie behandelt. Zu seinen einflussreichen Werken gehören „Der Staat“, „Das Symposion“ und „Die Allegorie der Höhle“. Quelle: Platons Dialoge und philosophische Schriften. ↩︎
- „Der Staat“ von Plato: „Der Staat“ ist ein grundlegendes Werk der westlichen Philosophie und behandelt Themen wie Gerechtigkeit, Politik und die Natur der menschlichen Seele. In Form eines Dialogs erörtert Sokrates das Konzept eines idealen Staates, der von Philosophenkönigen regiert wird, und stellt das berühmte Höhlengleichnis und die Theorie der dreigliedrigen Seele vor. ↩︎
- Operation unter falscher Flagge: Eine Operation unter falscher Flagge ist eine verdeckte oder täuschende Taktik, bei der eine Gruppe oder eine Regierung ein Ereignis inszeniert, um den Anschein zu erwecken, dass eine andere Einheit, oft ein Feind oder ein Rivale, dafür verantwortlich ist. Der Begriff stammt aus der Seekriegsführung, in der Schiffe unter der Flagge anderer Nationen fuhren, um den Feind zu täuschen. In der heutigen Zeit werden Operationen unter falscher Flagge mit der Schaffung eines irreführenden Narrativs oder Vorwandes für politische, militärische oder ideologische Zwecke in Verbindung gebracht. ↩︎
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